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Medizintechnikmarkt 2022: Herausforderungen und neue Lösungsansätze

Wohin entwickelt sich der Medizintechnikmarkt? Welche Lösungen sind künftig besonders gefragt? Das Corporate Start-up Heraeus Amloy, Spezialist für amorphe Metalle, hat einen seiner Schwerpunkte in Medizintechnik. Beim Besuch am Unternehmensstandort im Innovationspark Karlstein, gibt Business Analyst Nail Akrouti seine Einschätzung zum Markt und zur künftigen Rolle des Start-Ups.

Röntgenbild einer Hand mit einer Osteosyntheseplatte

Gerade in diesen Zeiten der Pandemie ist in der Medizin- und auch in der Medizintechnikbranche einiges in Bewegung. Doch auch ohne eine Pandemie verschärft der stetig steigende Kosten- und Effizienzdruck in Europa die Sicherheitsanforderungen an medizinische Produkte. Seit diesem Jahr müssen sich Inverkehrbringer von Medizinprodukten auch mit Rezertifizierungen beschäftigen. So will es die neue EU-Medizinprodukteverordnung, die MDR-Richtlinie. Auch Dokumentationen von Produktion und Lieferungen werden tendenziell immer aufwendiger. Bremst dieser Mehraufwand Innovationen? „Sicherlich ist die Harmonisierung der Prozesse mit den neuen europäischen Regularien für die Branche ein Kraftakt. Innovationen gibt es allerding trotzdem – vor allem in den Bereichen Robotik und Telemedizin, Biotechnologie, Sensorsystematik und Künstlicher Intelligenz“, sagt Akrouti. „Medizintechnik wird dadurch vorausschauender, präventiver und individueller.“

Osteosyntheseplatte

Biotechnologie und Bio-Sensorik

So verlieh Corona der ohnehin boomenden Biotechnologie und Biosensorik neuen Schub. Biotechnologie beschäftigt sich mit der Nutzung von Enzymen, Zellen und ganzen Organismen in technischen Anwendungen. Zum Beispiel Bio- oder Gewebedruck, wo Botenmaterial aus Bioorganismen für die Insulinzufuhr im 3D-Drucker hergestellt wird. Auch die neuen mRNA-Impfstoffe zum Schutz vor Covid-19 sind ein Ergebnis innovativer Biotechnologie. „Die gesamte Wertschöpfungskette ist auf den Trend aufgesprungen, Material und Laborausstattung wurden angepasst. Biotechnologie erlebt einen echten Goldlöckchen-Moment“, so Akrouti.

Robotik und Telemedizin

Auch im Bereich Robotik tue sich einiges. Roboter helfen bei Operationen ebenso wie in der Telemedizin, also bei Diagnostik und medizinischen Diensten aus der Ferne. Dabei werden die Roboter technisch immer präziser. Ihre Bewegung ist replizierbar, wird immer feiner und ihre Größe bewegt sich teilweise im Nanobereich. „Hier beschäftigt sich die Branche stark damit, wo sind Limitationen, also was liegt aktuell im Bereich des Machbaren?“, erklärt Akrouti. Auch das Start-up Heraeus Amloy hilft hier aus und liefert funktionale Maschinenelemente für Roboter sowie elastische mechanische Komponenten aus amorphen Legierungen, die als einziges Material eine erweiterte sensible Steuerung der Roboter-Bewegungen ermöglichen. Ein weiteres potenzielles Anwendungsfeld sind Bauteile für den Bereich des End of Arm Toolings (EOAT), dem Greifarmmechanismus von Robotern.

Individualisierte Devices aus dem 3D-Drucker

Ein besonders großes Wachstum sieht Akrouti bei medizinischen Devices. Wie klein – und damit möglichst wenig invasiv – und präzise können Implantate sein? Führungsdrähte zum Beispiel, dünne Drähte, werden in Katheter eingeführt und stabilisieren und positionieren diese. Dank modernster Technologien werden diese immer langlebiger. Das müssen sie auch sein, denn die Anforderungen an Applikationen der Medizintechnik sind hoch.

Osteosyntheseplatten zum Beispiel, in vielfältiger Dimension nutzbar werden Sie zur Heilung von Knochenfrakturen eingesetzt. Hier bietet der 3D Druck mit amorphen Metallen konkrete Vorteile, indem sowohl die individuelle Anpassungsmöglichkeit als auch die konstruktive Gestaltungsfreiheit in Einklang gebracht werden, um dem Patienten eine ideale Reposition und Stabilisierung des Knochenbruchs zu ermöglichen.

Neben der Qualität müssen auch die Biofunktionalität, Biokompatibilität, also die Verträglichkeit für den Menschen, und die Oberflächenfunktionalität stimmen. Deswegen liegt es im Trend, besser geeignete Materialien für Implantate im 3D-Druck zu erproben. Der 3D-Druck eignet sich außerdem, die Devices je nach Bedarf der Patienten zu individualisieren.

Genau hier bringt Heraeus Amloy den Markt mit technologischem Fortschritt voran. „Mit Blick auf diese Voraussetzungen und der spezifischen Anwendungen werden häufig Kompromisse geschlossen und das bestmögliche Material eingesetzt“, meint Akrouti. Titanlegierungen, Kunststoffe oder Edelstahl kommen schnell an Grenzen und können nicht alle Anforderungen zu hundert Prozent erfüllen. Implantate müssen sich gut an die Fraktur anpassen, allerdings brauchen Knochen zum Heilen auch eine gewisse Belastung. Erforderlich sind also Materialien, die sowohl eine entsprechende Elastizität als auch eine hohe Festigkeit aufweisen – wie das Beispiel der Osteosyntheseplatten zeigt.

Amorphe Metalle von Heraeus

Wie wichtig Elastizität und Festigkeit sind, sehe man allen voran beim Rippenbogen, der im Jahr bis zu acht Millionen Atembewegungen ausgesetzt ist. Ermüdungsbrüche durch hohe Steifigkeiten sind in aller Regel die Folge. „Genau hier schaffen wir den Unterschied. Wir haben da eine Lösung gefunden, die alles, was gefordert ist, sogar noch übertrifft – ohne Nachbehandlung.“ Die Lösung lautet: Amorphe Metalle, auch metallisches Glas genannt, auf Zirconium-Basis. Amorphe Metalle sind aufgrund ihrer Eigenschaften sowohl flexibel wie Kunststoffe als auch fest wie Stahl und absolut biokompatibel. Sie eignen sich für die Herstellung im Spritzguss-Verfahren ebenso wie für den 3D-Druck. „Die Dichte unserer Legierungen liegt zwar über der von Titan, aber durch das bessere Zusammenspiel der Gesamteigenschaften sind wir in der Lage dünnere und leichtere Komponenten herzustellen, die dem Patienten im Genesungsprozess helfen“, so Akrouti. In diesem Jahr sollen neben der Zirconium-Variante auch amorphe Legierungen auf Titan-Basis erzeugt werden. Damit will das Start-up noch näher am Markt sein und noch mehr Lösungsansätze bieten. Aktuell laufen einige Evaluierungsprojekte mit namhaften Herstellern. Akrouti rechnet damit, dass das Produkt in Kürze marktreif für die Serienproduktion ist.

"Wir bieten Mehrwert, wo Lösungen mit bisherigen Materialien an Grenzen stoßen, und liefern innovative Anwendungen im Medizintechnikmarkt. Wir überwinden diese Grenzen, schaffen Erleichterungen und am Ende eben positiven Mehrwert für Patienten“

Nail Akrouti, Business Analyst Heraeus Amloy

Porträt von Nail Akrouti