Fusionsenergie – vom Hype zur Realität

Der jährliche Internationale Tag des Lichts geht auf den weltweit ersten erfolgreichen Lasereinsatz 1960 zurück. Heute können Lasersysteme entscheidend für eine wichtige Energiequelle der Zukunft sein: der Kernfusion. Als sogenannte Laserfusion hat sie im Dezember 2022 einen Durchbruch erreicht: Bei einem Experiment an der National Ignition Facility (NIF) in den USA konnte erstmals mehr Fusionsenergie erzeugt werden als zum Aufheizen des Fusionsbrennstoffs erforderlich war – auch dank Quarzglas-Optiken von Heraeus Conamic. Was hat dieser Break-even-Punkt zu bedeuten und wie geht es weiter?

Darstellung wie Energie aus einer Fusion ensteht

Bei der  Kernfusion geht es um nichts weniger, als die nahezu unerschöpfliche Energie der Sterne auf die Erde zu holen. Dazu versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits seit rund 100 Jahren, den Prozess der Energiegewinnung ähnlich wie bei der Sonne hier auf der Erde stattfinden zu lassen. Denn die Sonne strahlt, weil in ihrem Innern ständig Kernfusionen stattfinden. Ein kleines Strahlen zauberte auch der Versuch am NIF, einer Einrichtung des Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) auf die Gesichter der Beteiligten. Er fand am 5. Dezember 2022 als Laserfusion statt. Ein alternatives Technologiekonzept, an dem derzeit weltweit mit dem gleichen Ziel geforscht wird, ist die  Magnetfusion .

Die erste Hürde ist genommen

Das Experiment am NIF hat eine wichtige erste Hürde auf dem Weg zur Energiegewinnung durch Kernfusion genommen. Doch man muss sie richtig einordnen: Durch Lichtpulse des stärksten Lasers der Welt gelang es, die Fusion zu zünden und eine Energie von 3,15 Megajoule zu erzeugen – ein neuer Rekord. Dafür waren „nur“ 2,05 Megajoule an Heizenergie für die Zündung nötig. Die Fusion hat also mehr Energie produziert, als hineingesteckt wurde. Aber um den Energieeintrag von 2,05 Megajoule im entscheidenden Augenblick bereitstellen zu können, mussten  300 Megajoule an elektrischer Energie aus dem Stromnetz für den eigentlichen Laserbetrieb aufgenommen werden. Damit lag der Wirkungsgrad des Lasers also bei knapp 0,7 Prozent, ein noch relativ kleiner Wert.

Obwohl die Leistung des Labors für sich betrachtet einen bedeutenden Schritt darstellt, ist die Laserfusion noch weit davon entfernt, eine reale, kommerzialisierte Energiequelle zu werden. Dennoch stimmt die Richtung: Großes Ziel ist die sogenannte Wall-Plug-Efficiency, also ein Gesamtwirkungsgrad des Systems von Eins oder größer Eins zwischen zugeführter und tatsächlich nutzbarer Energie. Erst dann ist diese Variante der grünen Energieproduktion für die kommerzielle Nutzung sinnvoll. Die Vielzahl an Parametern, die sehr sensibel aufeinander reagieren, machen dieses Ziel aktuell noch schwer erreichbar.

Wachsender Start-up-Markt

Inzwischen hat sich weltweit eine Start-up-Szene etabliert, die an dem Ziel arbeitet, die Fusionsenergie zu kommerzialisieren. Jeder Forschungsfortschritt trägt dazu bei, dass sich weitere Gründerinnen und Gründer dieser Start-up-Szene anschließen. Neugründungen Focused Energy, Marvel Fusion, Zap Energy oder HB11 treffen inzwischen auf reges Investoreninteresse und haben bei den ersten Finanzierungsrunden mehrere hundert Millionen Euro eingesammelt. Detail-Experimente laufen bereits, erste Teil-Prototypen sollen in den nächsten fünf bis sieben Jahren entstehen, komplette Prototyp-Reaktoren noch einmal deutlich später.

Heraeus weltweit aktiv

„Die Technologie muss funktionieren und Lieferketten etabliert sein, bevor weitere Gelder fließen“, erklärt Dr. Frank Nürnberg, Global Head of Sales Optics bei Heraeus Conamic „Deshalb gehen viele dieser Start-ups auch Kooperationen mit der Industrie ein, zum Beispiel mit Laser- und Glasproduzenten oder auch Quarzglas-Spezialisten wie uns.“

Heraeus beliefert bereits weltweit Fusionsversuchsanlagen mit Quarzglas für Laseroptiken, ist also eng am Geschehen. In Deutschland steht das Unternehmen unter anderem mit dem Darmstädter Start-up Focused Energie in Kontakt, das bis 2040 ein erstes kommerzielles Fusionskraftwerk auf Laserbasis in Betrieb nehmen will. Weitere Prognosen zur Realisierung aus dem Markt und aus der Wissenschaft schwanken in einem breiten Band zwischen 10 und 50 Jahren.

Dabei ist eines klar: Laserfusion allein wird das Energieproblem nicht lösen. Aber sie kann neben regenerativen Quellen wie Solar, Wind und Wasser ein nachhaltiger Teil des Energiemixes werden. Heraeus unterstützt die weitere Entwicklung aktiv, wie Nürnberg sagt: „Wir sind in ständigem Kontakt mit den Start-ups – sei es für Anforderungsdiskussionen, Prototypen-Abstimmungen oder die gemeinsame Ausarbeitung von Lieferplänen.“

Dr. Frank Nürnberg dargestellt mit einer Optik der Heraeus Conamic
Dr. Frank Nürnberg mit einer Optik von Heraeus Conamic, wie sie zur Erforschung der Energiegewinnung durch Fusion eingesetzt wird